0

Buchtipps

Gabriele Riedle erzählt von einer, die von Berufs wegen losgeschickt wird, durch Kriegs- und Elendsregionen in Afghanistan, Inguschetien, Liberia und anderswo zu stolpern, um dort die Begegnung mit dem krass Anderen zu suchen und das Gesehene und Gehörte alsdann so aufzubereiten, dass es den Daheimgebliebenen den doppelten Genuss von „Abenteuer & Aufklärung“ bereiten möge. Riedle berichtet von Dingen, die sie selbst erlebt hat, und eingangs fragt man sich vielleicht, warum sie das „Roman“ nennt.

Das identitätspolitische Lesebuch „Als Richard Schuberth sich an den Schreibtisch setzte, um eine umfassende Kritik der Identitätspolitik (und ihrer Kritiker) zu schreiben, musste er feststellen, dass das Wesentliche dazu schon längst gesagt wurde, von anderen, aber – zu seinem Erstaunen – auch von ihm selbst. [...] So beschloss er kurzerhand eine Anthologie herauszugeben.“

Bügelnd, betrunken, fiebernd, sterbend. Tillie Olsens Storys aus den 1950er Jahren handeln von gewöhnlichen Menschen in ebenso gewöhnlichen Zuständen der Entrückung, zwischen Tran und Trance. Rausch, Traum und Delirium erweitern das Erzählte und das Erzählbare, an ihnen bricht sich die Wirklichkeit und splittert auf. Olsen hat das Schreiben, ihr schmales, aber unglaublich kunstvolles Werk, wortwörtlich dem Leben abgerungen, einem Leben bestimmt von Geldmangel, Arbeit, politischer Aktivität, vielen geliebten Kindern und viel zu wenig Zeit.

‚Singuläre Frauen‘ sind sie alle, die Heldinnen unserer Lieblingskrimis von Sara Paretsky, Liza Cody, Monika Geier, Mercedes Rosende, Hannelore Cayre und anderen. Sie leben aus guten Gründen meistens allein. Sie sind nicht weniger abgebrüht und getrieben als ihre männlichen Pendants, aber man bekommt eher mit wovon. Mehr Innenleben haben sie allemal. Und was eventuelle Schrullen anbelangt: Ohne ihren unkonventionellen Stil kämen sie definitiv schlechter zurecht.

Es beginnt mit einem ganz gewöhnlichen Femizid. Eine Frau beendet eine Affäre, der Mann erwürgt sie im Affekt, kotzt und fühlt sich kühn und entwendet ihr Notizbuch. Was er nicht ahnt: Die Frau arbeitete als Spionin für eine hochgeheime Internationale Organisation umstürzlerischer Kräfte, die ihre Leute auch in den offiziellen Sicherheitsapparaten hat, und das Notizbuch enthält äußerst sensible chiffrierte Informationen.

Wer verblüffende historische Romane mit linksrevolutionärem Gehalt liebt, wird entzückt sein von diesem nun erstmals ins Deutsche übersetzten Klassiker. Der polnisch-russische Schriftsteller Bruno Jasieński war futuristischer Poet und kommunistischer Aktivist. 1929 aus dem französischen Exil vertrieben, machte er in der Sowjetunion unter Stalin kurz Karriere, bevor er dort 1938 vor ein Schaugericht gestellt und ermordet wurde.

Ein mit leichter Hand geschriebener, bisweilen sarkastisch ausgelassener Roman über schlecht verteilte Care-Arbeit, die nervigen Seiten des Kinderhabens, die dunklen Seiten der Mutterschaft, Geburtshilfe und Klassenherrschaft auf einer rauen schottischen Insel. Eine befreundete Hebamme ist voll des Lobes: »Night waking is amazing!«  

Hinter manch sauber polierter Fassade und beflissenem Auftritt geht es drunter und drüber. Eine Chefsekretärin und ihre Konkurrentin sowie ein Working Girl und ein Exstudent werden am Samstagmittag aus ihrer Firma in die Ödnis des privaten Lebens entlassen. Matte Sehnsüchte erwachen, die einen phantasieren von Ausbruch, die anderen benehmen sich einfach daneben. Noch um die kleinste Freiheit, die sie selbst zu verantworten hätten, aber machen alle einen großen Bogen.

Die Selbstgefährdungspotenziale der Menschheit könne man nicht unterschätzen, meinte Paul Parin. Das habe er schon als junger Mann gesehen und darum 1934 beschlossen, Chirurg zu werden – in Vorbereitung auf den nächsten kommenden Krieg. 1944/45 versorgten er und Goldy Parin-Matthéy dann in einem Lazarett der Partisanen in Slowenien unermüdlich Kriegsopfer.

Nach Adorno kann man auch mit den Ohren denken. In ihrem biografischen Essay betrachtet ihn Iris Dankemeyer also von der Seite mit Blick auf das Ohr „als Organ einer dialektisch vermittelten Erkenntnis, die unleiblichen Geist und leibhafte Sinnlichkeit nicht als getrennt voneinander denkt, sondern sie im Bewusstsein von Freiheit und Notwendigkeit vereint“. Die „Erotik des Ohrs“, so Dankemeyer weiter, „ist weder eine kontemplative Haltung noch eine direkte Aktion, sondern deren Vermischung: ein Verhalten“.

Unser Newsletter


Mit * gekennzeichnete Felder sind auszufüllen.

Unsere Datenschutzerklärung können Sie hier abrufen.